RAG LEADER Wartburgregion
19
Okt
2024

4. Aktionstag Bauen im Dorf

Sind historische Gebäude und Energieeffizienz vereinbar?

 

 

Der diesjährige Aktionstag „Bauen im Dorf“ im Hotel Adler in Vacha ermöglichte spannende Einblicke in die Themen Graue Energie und energetische Gebäudesanierung im ländlichen Raum. Attraktion des Tages war die Führung durch das Rathaus in Vacha und die Präsentation des aktuellen Stands der Kernsanierung. Die Veranstaltung, organisiert von den regionalen Vereinen RAG LEADER Wartburgregion e.V. und Werra-Wartburgregion e.V., bot neben den Fachvorträgen auch reichlich Gelegenheit zum Austausch und zu Diskussionen.

Im Mittelpunkt des ersten Vortrags von Herrn Dossin vom Institut für Graue Energie e.V. stand die Graue Energie. Der Begriff, obwohl in aller Munde, wird meist missverstanden. Gemeint ist nicht, wie oft vermutet, die Energie, die in Bestandsgebäuden in Beton, Mauerwerk und Putz steckt, sondern die Energie, die benötigt wird, um ein Gebäude zu bauen – von der Herstellung der Materialien über den Transport bis hin zur Entsorgung. Materialien wie Beton oder Dämmung erfordern einen hohen Energieaufwand in der Herstellung. Daher ist es entscheidend, die in den Gebäuden befindliche Graue Energie zu erhalten. Der Abriss von leerstehenden und stark sanierungsbedürftigen Gebäuden sowie der Neubau sind häufig keine nachhaltige Lösung, da sie einen noch höheren Energieverbrauch erfordern. Die Devise des Vortrags lautete daher, Altbauten verstärkt zu sanieren und umzunutzen. Beispiele von industriellen Produktionsstätten aus Thüringen und Sachsen zeigen, dass auch Teilnutzungen oder die Sicherung und Bewahrung des Gebäudes für spätere Nutzungen oft besser sind als Abriss. Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Wirkung der Energieeinsparverordnung (EnEV), die den Neubau von Niedrigenergiehäusern fördert, das immense Einsparpotenzial der Nutzung von Bestandsgebäuden aber nicht berücksichtigt. In der Diskussion wurde einmal mehr deutlich, dass die Innenentwicklung Vorrang vor der Außenentwicklung haben sollte und die bestehende Bausubstanz in unseren Kleinstädten und Dörfern eine wertvolle Ressource ist.

An das Thema der Innenentwicklung schloss auch der Vortrag von Frau Palinske vom Werra-Wartburgregion e.V. an. Den Teilnehmenden wurde das "Modellvorhaben der Raumordnung" (MORO) vorgestellt, welches vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen unterstützt wird. Der Werra-Wartburgregion e.V. hatte sich in einem bundesweiten Wettbewerb um dieses Förderprojekt beworben und wurde als eine von sieben Regionen ausgewählt. Ziel des Projektes ist es, für die Region eine Organisationsstruktur aufzubauen, die den Grundsatz Innen- vor Außenentwicklung in der Region umsetzen kann. Leerstände und Baulücken sollen in ihrer Entwicklung aktiv unterstützt werden, ohne die Bauverwaltungen mit diesen zusätzlichen Aufgaben zu überlasten.

Viel Beachtung fand der Vortrag des Bürgermeisters der Stadt Vacha, Martin Müller, der über die Kernsanierung des Rathauses, von der Planung bis zur Fertigstellung, berichtete. Das Gebäude, 1614 errichtet, wurde bisher noch nie grundhaft saniert. Daher war der Sanierungsstau groß. Dank der Bereitstellung der Fördermittel durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung konnte 2019 mit dem Bau begonnen werden. Der Abschluss der Baumaßnahme und Bezug ist voraussichtlich 2026 geplant. Bis dahin ist noch einiges an Arbeit zu leisten. In besonderer Weise sind die Leistungen der Zimmerleute zu würdigen, die bei der Reparatur und dem Ersatz des historischen Sichtfachwerks großes handwerkliches Geschick bewiesen haben. Besonders bei den sichtbaren Bauelementen musste strikte Rücksicht auf den Denkmalschutz genommen werden, weshalb für die Arbeiten auch spezialisierte Baufirmen aus dem Umland beauftragt wurden.

Im Ergebnis, so das Fazit der Beteiligten, hat der Aktionstag erneut die Dringlichkeit aufgezeigt, sich mit den bestehenden Gebäuden in den Städten und Dörfern der Wartburgregion zu beschäftigen, aber auch Mut gemacht, diese als Rohstoff für die Entwicklung unserer Gemeinden zu betrachten und uns für ihren Erhalt einzusetzen.